Erlebnis in der Allee

Samstag früh um Dreiuhrdreißig
 ist Emmerich noch ziemlich fleißig. 
 Er schrieb ein episches Gedicht,
 zu Bett geh‘n kann er jetzt noch nicht. 
 
 So kommt er mit sich überein:
 Ein Spaziergang wäre fein. 
 Die Schuh, die Jacke und Juchee
 geht es raus durch die Allee. 
 
 Doch wie so oft auf dieser Welt
 gibt’s da wen, dem das missfällt.
 Ein großer Hund fühlt sich gestört,
 der auf den Namen Siegfried hört. 
 
 Siegfried hat die halbe Nacht
 schon mit Zahnweh zugebracht. 
 Das nervt enorm, wie ihr ja wisst,
 drum ist er sichtlich angepisst. 
 
 Und nun kommt noch von ungefähr 
 jener dicke Mensch daher,
 der ihn zu dieser miesen Zeit
 reizt in seinem Selbstmitleid. 
 
 Derweil läuft selig ohne Sorgen 
 Emmerich im Nebelmorgen ...
 bis Siegfried kommt, da ist’s vorbei
 mit selig und mit sorgenfrei. 
 
 Emmerich würd lieber geh‘n,
 der Hund der knurrt (das ist nicht schön). 
 Und er hat Zähne im Gesicht ...
 und er ist schnell ... und Emm’rich nicht!
 
 Wie meist so üblich in Alleen
 gibt’s da Bäume rumzusteh’n. 
 So einer steht ganz zufällich 
 direkt neben Emmerich. 
 
 Der Baum knarrt leise als begrüße
 er die frische Morgenbriese
 und Emmerich in großer Hast
 sitzt plötzlich oben auf nem Ast. 
 
 Siegfried reagiert verschnupft 
 dass unser Held da raufgehupft 
 und dreht noch eine halbe Stunde
 unten drunter seine Runde. 
 
 Doch dann im letzten Mondenschein
 holt ihn die Langeweile ein. 
 Siegfried hebt das Bein und gähnt
 und wird ab hier nicht mehr erwähnt.
 
 Der Hund ist fort, der Held benommen
 fragt sich, wie er da rauf gekommen.
 Die Kletterei und Emmerich,
 das passt wie Fisch und Bienenstich.
 
 Beim Aufstieg denkt man leider kaum,
 dass auch der Abstieg von dem Baum
 für einen guten, runden Schluss
 ganz zweifelsfrei erfolgen muss.
 
 Sofern man diesen unterlässt,
 sitzt leider man im Astwerk fest.
 Das ist genau was unterm Strich
 passierte unsrem Emmerich.
 
 Um sechs Uhr früh naht Rettung dann
 und die heißt „Hans der Zeitungsmann“.
 Der grinst und spricht: „Nimm‘s nicht so schwer!
 Ich ruf mal schnell die Feuerwehr.“
 
 Gesagt, getan, tatü tata,
 die flinken Helfer sind schon da. 
 Der Kerl ist jung, die Leiter lang,
 der Abstieg kurz, groß der Empfang. 
 
 Ein Traum für seine Nachbarschaft,
 für einen leider alptraumhaft.
 Traum oder Alptraum ist nach Lage
 eine reine Standpunktfrage.